Fast jedes vierte Kind armutsgefährdet

In der aktuell veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung sind vor allem Jungen und Mädchen in den Großstädten im Ruhrgebiet betroffen.

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Das Wichtigste in fünf Punkten

  1. Mehr als jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht

    In Deutschland gelten 2,88 Millionen Kinder unter 18 Jahren sowie 1,55 Millionen junge Erwachsene (18 bis unter 25 Jahre) als armutsgefährdet (im Jahr 2021). Das heißt: Mehr als jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Betroffen sind vor allem Kinder in alleinerziehenden und Mehrkindfamilien. Bei den jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ist jede:r Vierte armutsgefährdet. Dabei sind Frauen stärker von Armut bedroht als Männer. Insgesamt haben die jungen Erwachsenen das höchste Armutsrisiko aller Altersgruppen – das gilt in allen Bundesländern

  2. Die Zahl der von Armut betroffener Kinder ist deutlich gestiegen

    Viele dieser jungen Menschen benötigen SGBkurz fürSozialgesetzbuch II-Leistungen, um über die Runden zu kommen. Betroffen waren im Juni 2022 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Ihre Zahl sowie auch der Anteil der Kinder in SGBkurz fürSozialgesetzbuch II-Haushalten ist im Juni 2022 das erste Mal in fünf Jahren wieder deutlich angestiegen. Grund dafür sind geflüchtete Kinder aus der Ukraine, die seit Juni SGBkurz fürSozialgesetzbuch II-Leistungen beziehen können.

  3. 432.000 junge Menschen beziehen SGB II-Leistungen

    Bei den jungen Erwachsenen beziehen 7,1 Prozent SGBkurz fürSozialgesetzbuch II-Leistungen – das sind 432.000 junge Menschen unter 25 Jahren. In dieser Altersgruppe greifen neben dem SGBkurz fürSozialgesetzbuch II-System auch andere Unterstützungssysteme, wie BAföG, Wohngeld o.ä. Die hohe Armutsbetroffenheit zeigt jedoch, dass die Systeme nicht gut ineinandergreifen und Armut offensichtlich nicht vermeiden.

  4. Armut verhindert Teilhabe

    Aufwachsen in Armut begrenzt, beschämt und bestimmt das Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – heute und mit Blick auf ihre Zukunft. Sie erleben in nahezu allen Lebensbereichen – wie Bildung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe – Benachteiligungen. Das hat auch für die Gesellschaft erhebliche negative Folgen

  5. Die Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut muss politisch Priorität haben

    Kinder- und Jugendarmut ist seit Jahren ein ungelöstes strukturelles Problem in Deutschland. Die aktuellen Krisen und die damit einhergehenden Preissteigerungen verschärfen die Situation weiter. Die Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut muss daher gerade jetzt politisch Priorität haben. Sie erfordert die Einführung einer Kindergrundsicherung, die Armut wirksam vermeidet und an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientiert ist. Daneben benötigen junge Menschen eine grundlegende BAföG-Reform sowie eine Ausbildungsgarantie, die insbesondere auch armutsbetroffenen jungen Menschen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung eröffnet.

Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen

Besonders oft armutsgefährdet sind Kinder und Jugendliche, die in alleinerziehenden Familien oder Mehrkindfamilien aufwachsen, d.h. zwei und mehr Geschwister haben. 

In Nordrhein-Westfalen ist die Armutsgefährdungsquote von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren seit der letzten Erhebung von 18,6 auf 24,6 Prozent gestiegen. Bundesweit sind wir damit mit Hessen (24,4 Prozent) und nach dem Stadtstaat Bremen (41,1 Prozent) traurige Spitze - wie auch leider die Stadt Gelsenkirchen, die mit 41,7 Prozent in ganz Deutschland die höchste Quote aufweist.

Höchste Armutsquoten für NRW

Anteil der Kinder unter 18 Jahren in Familien im SGB II-Bezug

Gelsenkirchen 41,7 Prozent (bundesweit traurige Spitze)
Essen 33,4 Prozent
Duisburg 30,7 Prozent
Hagen 30,7 Prozent
Dortmund 30,6 Prozent
Herne 30,4 Prozent

Coesfeld 7,8 Prozent