Lebenslagen kennen und gezielt handeln – Sozialplanung in Oberhausen
Armut und Ausgrenzung betreffen im Ruhrgebiet verhältnismäßig viele Menschen. Sie erleben Benachteiligungen und fühlen sich abgehängt. Die kommunale Sozialpolitik steht damit vor den Herausforderungen, Armut zu bekämpfen, Teilhabe zu stärken und Lebensverhältnisse zu verbessern. Die Stadt Oberhausen betreibt daher eine strategische Sozialplanung. Bei einem Fachgespräch mit dem VdK NRW Ende Juli im Oberhausener Sozialrathaus stellte die Stadt ihre Bemühungen vor.

Wissen, wo Bedarfe bestehen
„Alle wissen besser Bescheid“, erklärte Sozialplanerin Carolin Trappmann die Wichtigkeit der kommunalen Sozialplanung. „Wir können die Lebenslagen unserer Einwohnerinnen und Einwohner besser einschätzen und wissen, wie sich Armutsrisiken innerhalb der Stadt verteilen. Darauf aufbauend können wir gezielt Unterstützungsangebote schaffen“, so die studierte Sozialwissenschaftlerin im Gespräch mit den VdK-Referenten Martin Franke und Benedikt Lechtenberg.
Kernstück der Oberhausener Sozialplanung ist der Sozialbericht mit seinem Sozialindex. Darin fließen unter anderem Daten wie der Anteil an SGBkurz fürSozialgesetzbuch-II-Empfängern oder der Anteil Alleinerziehender zusammen. Kleinräumig wird so erkennbar, in welchen Bereichen der Stadt wie viele Menschen mit Armutsrisiko leben. Dabei ist vom „Sozialquartier“ die Rede. Gemeint ist nicht ein ganzer, großer Stadtteil, sondern das nahe Umfeld, in dem Menschen leben.
Vernetzung innerhalb und außerhalb der Verwaltung
Bei den nackten Zahlen bleibt die Sozialplanung aber nicht stehen. So führt die Sozialplanung gemeinsam mit Planenden aus 12 verschiedenen Fachbereichen auch Sozialraumkonferenzen durch. Dort kommen beispielsweise Wohlfahrtsverbände, die Quartiersbüros oder Begegnungsstätten betreiben, mit städtischen Mitarbeitern und politischen Fraktionen in den Austausch.
Daran wird deutlich, was für die gesamte Sozialplanung der Stadt Oberhausen gilt: es geht interdisziplinär zu. Die „Versäulung der Verwaltung“ in der jeder hinter seinem Schreibtisch bleibt, gehört hier der Vergangenheit an.
Das zeigt auch das Fachgespräch mit dem VdK NRW. Neben Carolin Trappmann sind auch Beschäftigte aus den Bereichen Umwelt und Gesundheit dazugekommen. „Wir denken verknüpfend und erleben ein gutes Miteinander. Soziale Fragen werden auch in anderen Bereichen mitgedacht“, so Trappmann.
Klimaanpassung in benachteiligten Quartieren
Ein Beispiel für diese Verknüpfung zeigt sich bei der Klimaanpassung. Armutsbetroffene sind den Folgen des Klimawandels stärker ausgesetzt. Sie leben oft in schlecht isolierten Wohnungen mit wenig Grün im Umfeld und viel Verkehr. Darum werden Armutsdaten mit Umweltdaten „verschnitten“, wie Trappmann sagt.
So schaut die Stadt, wo es viele versiegelte Flächen gibt, die sich stark aufheizen und wo viele armutsgefährdete Menschen leben. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit zwischen der Sozialplanung und dem Bereich Umwelt ist die Aufstellung von Trinkwasserbrunnen. Diese sollen vorrangig in den benachteiligten Quartieren installiert werden und ermöglichen so die kostenfreie Versorgung mit sauberem Trinkwasser an heißen Tagen.
Auch mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Gesundheit arbeitet Trappmann zusammen, etwa beim Hitzeaktionsplan, den die Stadt aktuell entwickelt. Von vornherein werden hier verschiedene gefährdete Gruppen berücksichtigt, etwa wohnungslose und obdachlose Menschen, aber auch Pflegebedürftige, Schwangere und Kinder. Mit verschiedenen Maßnahmen möchte die Stadt besonders gefährdete Menschen vor extremer Hitze schützen.
Sozialplanung als Instrument kommunaler Sozialpolitik
Der Sozialverband VdK NRW wertet die Bemühungen der Stadt Oberhausen positiv. „Kommunen müssen genau über die Lebenslagen und Bedarfe ihrer Einwohnerinnen und Einwohner Bescheid wissen. Nur dann kann gezielt gehandelt werden. Die Sozialplanung stellt dafür die notwendigen Informationen bereit und bringt innerhalb und außerhalb der Verwaltung diejenigen zusammen, die Armut und ihre Folgen bekämpfen können. In Oberhausen spürt man, wie engagiert die Stadt dabei vorgeht“, so die beiden VdK-Referenten Martin Franke und Benedikt Lechtenberg.
Eine kommunale Sozialplanung wünscht sich der VdK in mehr Kommunen und zählt die Sozialplanung zu seinen Forderungen zur Kommunalwahl 2025. „Natürlich haben Großstädte wie Oberhausen mehr Möglichkeiten, eine umfassende Sozialplanung zu betreiben. Aber auch kleinere und mittlere Kommunen können erste Schritte gehen, zum Beispiel mit einem regelmäßigen Sozialbericht, der die Lebenslagen vor Ort deutlich macht“, so die VdK-Referenten.
Die Landesgesellschaft G.I.B. berät dabei Kommunen kostenlos, führt Fortbildungen durch und ermöglicht Austausch zwischen den Planerinnen und Planern.