„Wie ein Luftballon – man sticht rein, aber nichts passiert“: Iris Gebauer über ihre Erfahrungen mit der Pflege im Heim
„Ich habe so viel Stress mit denen“, seufzt Iris Gebauer erschöpft. Ihr Frust über die Zustände in einem Heim für Seniorenpflege nahe der Stadt Essen sitzt tief – dort lebt ihr demenzkranker Ehemann Reinhard (71). Der VdK-Redaktion berichtet die 57-Jährige von Sorgen, Missständen und dem Gefühl, häufig allein gelassen zu werden.

Bereits vor vielen Jahren bemerkte die Essenerin erste Anzeichen einer beginnenden Demenz bei ihrem Mann, der damals noch in Ladbergen lebte. „In der Küche herrschte Chaos, Töpfe lagen angebrannt herum – da wurde ich stutzig. Vor allem habe ich mir Sorgen wegen des Autofahrens gemacht“, erzählt Iris Gebauer. Zum Glück habe sie ihn überreden können, nicht mehr selbst ans Steuer zu gehen. Auch wegen seiner Diabetes sah sie die regelmäßige Medikamenteneinnahme und Kontrolle in Gefahr.
Ihr Mann hat Demenz
Doch grundsätzlich wollte Reinhard Gebauer so lange wie möglich zu Hause wohnen – einen Heimplatz lehnte er strikt ab. Bis eines Tages ein Sturz nach einem Schwindelanfall alles veränderte. Die Folge war ein Bruch des Wadenbeins sowie ein doppelter Sprunggelenksbruch. „Dann habe ich in Abstimmung mit Reinhard entschieden, ihn hier ins Heim zu holen“, sagt die Erwerbsminderungsrentnerin. Sie selbst ist mobilitätseingeschränkt und kann nicht freihändig stehen. Und da - nach ihren Aussagen - aus der Familie so gut wie keine Unterstützung kam, blieb für ihren Mann nur eine Option: der Gang ins Heim!
In den Räumlichkeiten leben 82 pflegebedürftige Menschen. Doch auf den drei Stationen sind jeweils nur zwei bis drei Pflegefachkräfte im Einsatz. Iris Gebauer ärgert besonders, dass das Personal die Demenz ihres Mannes als ‚eher nicht dramatisch‘ einstuft. Was aber - offenbar aus Zeitmangel - missachtet wird: Reinhard Gebauer verwechselt beim Rasieren schon mal Kopf und Gesicht oder isst ein Päckchen Butter auf. „Er geht überall dran, aber ich rede mir den Mund fusselig!“, sagt sie verzweifelt.
Darüber hinaus versucht sie, das Zimmer ordentlich zu halten. Ihr Mann kann es leider nicht mehr umsetzen. „Sein benutztes Geschirr kann ich dann nur im Badezimmer spülen. Aus hygienischen Gründen darf ich die Spülmaschine im Speiseraum nicht befüllen“, betont sie und fügt hinzu: „Wenn Pflegebedürftige im Heim zusätzlich keinen Angehörigen mehr haben, der sich kümmert, sind sie verraten und verkauft.“
Einsatz für den VdK
Eine willkommene Ablenkung findet Iris Gebauer im VdK. Den Verband kennt sie bereits seit 1974, als ihr Vater nach einem Unfall dringend Hilfe benötigte. Im Ortsverband Essen-Holsterhausen engagiert sie sich als Kassiererin und unterstützt Mitglieder bei Anträgen zur Feststellung eines Grades der Behinderung. Außerdem nimmt sie aktiv an den Austauschtreffen pflegender Angehöriger teil, die vom Kreisverband Rhein-Ruhr organisiert werden.
Zu ihren persönlichen Eindrücken vom Thema Pflege sagt sie abschließend ernüchtert:
„Das ist wie ein Luftballon – man sticht rein, aber nichts passiert!“