Fast 3.800 Euro für einen Platz im Pflegeheim
Eine dramatische Geschichte um VdK-Mitglied Hildegard und ihren Ehemann Rolf
Einen Eigenanteil von 3.769 Euro im Monat muss Rolf Buddensieck seit März dieses Jahres für die Versorgung seiner pflegebedürftigen Frau Hildegard aufbringen. 591 Euro mehr als zuvor. „Wo soll das noch hinführen?“, fragt der 81-Jährige. Nach der Erhöhung der Kosten für die stationäre Pflege seiner Frau, die Mitglied des VdK-Ortsverbands Bad Oeynhausen im Kreis Minden-Lübbecke ist, bleiben ihm gerade mal 300 Euro zum Leben.

Warum die Pflegekosten mal wieder so dramatisch gestiegen sind, und zwar nur der Eigenanteil der Pflegebedürftigen, erklärt Kerstin Hensel, Geschäftsführerin und Vorstand im Diakonischen Werk im Kirchenkreis Vlotho, das unter anderem das Stift Eidingsen in Eidinghausen betreibt, in welchem VdK-Mitglied Hildegard Cornelißen-Buddensieck wohnt. Das Problem sei das System der Finanzierung. Deutliche Steigerungen der Eigenanteile werde es in fast allen Seniorenheimen unabhängig vom Träger geben.
Sozialhilfe
„Wer kann sich die Pflege seines Partners denn heute noch leisten? Bald wird unser Erspartes aufgebraucht sein, dann werde ich Sozialhilfe beantragen müssen“, sagt Rolf Buddensieck. Der Unmut über die eklatant hohen Kosten sind ihm deutlich anzumerken. Dabei hat das Ehepaar alles richtig gemacht. Beide haben gearbeitet, haben Kinder großgezogen, ein Eigenheim erworben und sogar noch Geld gespart. Sie wähnten sich für ihren Lebensabend gut aufgestellt - mit einer finanziellen Ausstattung, die man als überdurchschnittlich bezeichnen kann.
Doch hat sich die Lage rundweg geändert - denn seit Sommer lebt die 80-jährige Hildegard Cornelißen-Buddensieck im Stift Eidingsen. Und die Kosten für die stationäre Pflege werden die Altersbezüge des Ehepaars bald fast komplett auffressen.
Pflegegrad 5
Bereits über mehrere Jahre hatte Rolf Buddensieck seine Frau gepflegt. „Für mich war das selbstverständlich, ich habe das gerne gemacht“, berichtet der 81-Jährige. Nach einem Sturz im Wintergarten des Eigenheims, bei dem sich Hildegard Cornelißen-Buddensieck schwere Kopfverletzungen zugezogen hat, ist sie auf den Rollstuhl angewiesen. Ihre bereits vorher diagnostizierte Demenz hat sich durch das erlittene Schädelhirntrauma deutlich verschlimmert. Seit dem Sturz ist sie in den höchsten, den Pflegegrad 5 eingestuft.
Rolf Buddensieck baute das Wohnzimmer um, damit das Pflegebett für seine Frau darin stehen konnte. Er pflegte sie weiter zu Hause. Bis er im vergangenen Frühjahr selbst an Krebs erkrankte. „Neben meiner Therapie mit Chemo und Bestrahlungen war ich dann nicht mehr in der Lage, meine Frau zu pflegen“, sagt Buddensieck. Schweren Herzens suchte er einen stationären Pflegeplatz für seine Frau. „Das war gar nicht so einfach, ich habe viel telefoniert und lange gesucht.“ Letztlich fand er einen Platz im Stift Eidingsen.
Rücklagen schmelzen
Die Steigerung des Eigenanteils, die ihn nun nach gut einem halben Jahr erwartet, beziffert Buddensieck auf rund 22 Prozent. „Das ist für mich auch durch die allgemeinen Preissteigerungen und Lohnerhöhungen nicht zu erklären“, sagt Buddensieck. Und macht aber auch deutlich: „Ich bin dafür, dass Pflegekräfte vernünftig bezahlt werden, ich möchte meine Frau schließlich auch in guten Händen wissen.“
Nun ist er aber erschüttert darüber, wie schnell die Rücklagen schmelzen. „Es wird darauf hinauslaufen, dass ich erst Pflegewohngeld und dann Sozialhilfe werde beantragen müssen.“ Als etwas ungerecht empfindet er die Tatsache, dass Menschen, die keine Rücklagen haben, durch Sozialhilfe abgesichert sind. Er findet, dass die Pflegeversicherung eine grundsätzlich andere Struktur bekommen müsse. „Sie muss zu einer Vollkaskoversicherung werden“, sagt Buddensieck.
„Diese Erhöhung des Eigenanteils werden viele nicht stemmen können“, ist Buddensieck überzeugt. In der Konsequenz werden mehr Pflegebedürftige von der Sozialhilfe abhängig werden.
Preissteigerungen
Das befürchtet auch Kerstin Hensel. Und sie erklärt, warum die Steigerung mit 22 Prozent so ausfällt. „Auch wir müssen die Preissteigerungen für Energie, Lebensmittel umlegen. Die Inflation trifft uns genauso. Nach dem Tarifabschluss bekommen unsere Mitarbeitenden einen Inflationsausgleich und 5,2 Prozent mehr Gehalt“, rechnet Hensel vor.
Zudem seien die Einrichtungen aufgefordert, Personal aufzubauen. Die 2021 veröffentlichte Rothgang-Studie habe wissenschaftlich belegt, dass die Pflege generell unterbesetzt sei. „Die Studie zeigt, wie viel Personal bei welchen Pflegegraden pro Bewohner notwendig sind“, fasst Kerstin Hensel das Ergebnis ganz knapp zusammen. Und die Studie gebe auch vor, wie viele examinierte Kräfte mit einer dreijährigen Ausbildung, wie viele Fachassistenz-Kräfte und wie viele ungelernte Kräfte für ein Haus bis 80 Betten notwendig sind.
In der Folge habe der Bund, um den Fachkräftemangel zu lindern, zusätzliche Stellen gefördert, die nicht über den Pflegesatz abgerechnet werden. „Doch diese Förderung ist beendet“, sagt Hensel. Nun müssen diese Stellen - im Stift Eidingsen - sind das 3,4 Vollzeitstellen praktisch über den Eigenanteil der Bewohner finanziert werden.
Frage des Systems
„Das Budget der Pflegekassen wird nicht angepasst“, sagt Hensel. Da seien die Leistungen gedeckelt. Die Einrichtungen befinden sich in einer Zwickmühle. Bemühen sie sich um mehr Personal, um eine gute Qualität der Pflege zu gewährleisten, erhöht sich der Eigenanteil der Bewohner. Machen sie dies nicht, verstärkt sich ihr Personalmangel. „Die Mitarbeiter tauschen sich aus, sie wissen genau, wie es um die Personalschlüssel in den Einrichtungen bestellt ist. Und sie bewerben sich dort, wo es mehr Personal gibt“, macht Kerstin Hensel deutlich. Es scheint so, als würden Einrichtungen, die auf Qualität setzen durch das System der Finanzierung sogar noch bestraft.
Die Finanzierung des gesamten Systems müsse geändert werden. „Die Kosten für die Bewohner müssen fix sein, für alles andere müssen die Kostenträger aufkommen“, lautet die Forderung von Kerstin Hensel. „Es sollte nicht so sein, dass sich Menschen Sorgen machen müssen, dass sie die Pflege ihrer Partner nicht bezahlen können“, so die Geschäftsführerin.
Den Bewohnern und Angehörigen, die nicht wissen, wie sie die Erhöhung stemmen sollen, empfiehlt Hensel, Kontakt mit dem Sozialhilfeträger aufzunehmen. Auch das Diakonische Werk bietet eine kostenfreie Sozialberatung an.
Quelle: Neue Westfälische, 8. Februar 2024, Autorin Nicole Bliesener. Der Text aus der Neuen Westfälischen ist urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.