Ortskern im Wandel der Zeit
In den 1970er Jahren hat sich der Ortskern von Mettingen entscheidend verändert. Was damals den Ausschlag gab, hat Karl Dorenkamp in einem Film dokumentiert, in dem die Abrissbirne eine große Rolle spielt.
Als die Abrissbirne durch Mettingen tobte“ heißt der Film, den Karl Dorenkamp am Freitag beim Klönnachmittag des Sozialverbandes VdK im Hotel-Restaurant „Bergeshöhe“ zeigte. „Ein provokativer Titel“, räumte der „Macher“ des Films ein, der seit 1971 im Tüöttendorf zu Hause ist und sich - als Ratsherr wie als Privatmann - noch gut an das Geschehen im Ort Mitte der 1970er Jahre erinnert. Wie auch einige andere der 60 Frauen und Männer, die nicht nur aus Mettingen und nicht nur als VdK-Mitglied zu Gast waren und Dorenkamps Film sehen wollten. Dass das Thema interessierte, hatte VdK-Vorsitzender Otto Lohmann schon während der Anmeldungen festgestellt und freute sich mit seinem Vorstandsteam über die große Resonanz.
Zeitzeugen
„Ich war dabei“, sagte Dorenkamp schmunzelnd, bevor er seinen - noch nicht ganz fertigen - Film startete, doch er hatte sich mit einem weiteren Zeitzeugen, dem gebürtigen Mettinger Karl-Heinz Käller, Verstärkung mitgebracht. Das verwendete Foto- und Filmmaterial stammt zum großen Teil aus dem Archiv der IVZ sowie von der Familie August Langemeyer, deren Wohnhaus seinerzeit direkt neben der Langemeyerschen Fabrik mitten im Ortskern gestanden hatte und im Jahr 1977 der Abrissbirne zum Opfer gefallen war. Ob dies hätte sein müssen, darüber sei damals viel diskutiert worden, weiß Karl Dorenkamp. Und das Thema bewegt auch heute noch, nicht nur Agnes Langemeyer, die zugab, den Tränen nahe gewesen zu sein, als sie im Film den Abriss von „Omas Haus“ verfolgte.
Das Langemeyersche Haus und viele andere Gebäude wurden im Rahmen der umstrittenen Ortskernsanierung dem Erdboden gleich gemacht, weil das Terrassenhaus, das Textilhaus Holthaus oder das Haus, in dem heute die Kinderarztpraxis ist, wenige Jahre zuvor als Einzelprojekte errichtet worden waren und unter anderem wegen ihrer Flachdächer und des Zuviels an Beton Negativschlagzeilen gemacht hatten.
Der damalige Gemeindedirektor Johannes Hackmann sprach sich für einen funktionsfähigen Ortskern für alle und für ein verbessertes Waren- und Dienstleistungsangebot aus. Im Fokus der Sanierung, die das in einem Wettbewerb erfolgreiche Beckumer Architekturbüro Harrendorf umsetzen sollte, ging es um Orts- vor Verkehrsplanung, um viel Grün, um Putz statt Klinker, Spitz- statt Flachdächer und einheitlich rote Dachziegel. Auch diese Pläne schlugen seinerzeit hohe Wellen, Gewerbetreibende gründeten eine Bürgerinitiative, weil sie um ihre Umsätze fürchteten, sollte man in Zukunft nicht mit dem Auto bis vor die Ladentür fahren können, wie Zeitungsausschnitte aus der IVZ im Film deutlich machten.
Fabrik Langemeyer
Nichtsdestotrotz wurden die Pläne umgesetzt. Die Fabrik C. Langemeyer, die lange Wahrzeichen des Ortes, jedoch inmitten der Wohnbebauung nicht unproblematisch gewesen war, wurde ausgesiedelt und am Hagebröcker Weg neu gebaut. Ende 1976 war im Ort Schluss mit der Produktion und mit den hämmernden Kompressoren sowie im Ort wabernder Melasse, Hefe und Treber.
Nachdem wie viele andere Gebäude auch das Langemeyersche Haus (heute steht dort das Geschäft Hatke) abgerissen, der Fabrikschornstein gesprengt und die Fabrik für die Abrissbirne freigegeben worden war, standen 7000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, die unter anderem von Hatke, der Ibbenbürener Volksbank, der evangelischen Kirchengemeinde und dem Haus Telsemeyer bebaut wurden.
Ob vor 50 Jahren zu viel Bausubstanz vernichtet worden ist, darüber scheiden sich auch heute noch die Geister. Einigkeit herrscht aber, dass der Mettinger Ortskern „einfach schön“ ist. So sahen es viele Gäste am Freitagnachmittag in der „Bergeshöhe“, so hört es nicht nur der VdK-Vorsitzende Lohmann von Bürgern und Gästen. „Ich kann mir im weiten Umkreis keinen Ort vorstellen, der so gelungen ist“, findet auch Karl-Heinz Käller und führt als Beispiele die wenigen Leerstände und den „drumherum geführten großen Verkehr“ an.
Hackmanns damaliger Plan, viele neue Geschäfte am Marktplatz zu etablieren, sei aber eine Illusion gewesen, gab Karl Dorenkamp zu bedenken, wollte dies aber nicht der Sanierung in die Schuhe schieben. Als Dankeschön für seinen Einsatz beim Klönnachmittag überreichte Otto Lohmann ihm einen bauchigen Tonkrug aus dem Hause Langemeyer, der wie die Pläne der Ortskernsanierung aus den 1970er Jahren stammt.
Ergänzen wird Karl Dorenkamp seinen Film um zwei Kapitel. Zum einen möchte er die Mettinger Bevölkerung befragen, wie sie zur Ortskernsanierung stehen, zum anderen Fachleute wie den damaligen Architekten zu Wort kommen lassen. Von Dietlind Ellerich